Home RECHTaktuell Gastkommentare Scheinrechnungen: Wenn Schein (be)trügt

DIE SCHEINRECHNUNG IM STRAFRECHT

Scheinrechnungen: Wenn der Schein (be)trügt

 

Scheinrechnungen können Abgaben verkürzen, Forderungen vortäuschen, Verbindlichkeiten vorschützen und anderes mehr. Welche strafbaren Handlungen und Finanzvergehen dadurch begründet sind, erläutert MANZ-Fachautor Günther Rebisant.

Artikel teilen
GÜNTHER REBISANT
Rechtsanwalt in Wien und Lehrbeauftragter der FH Wiener Neustadt
Redaktion
Reinhard Ebner
Datum
09. August 2023

1. Schein oder Sein

Nach dem Umsatzsteuergesetz gilt als Rechnung jede Urkunde, mit der ein:e Unternehmer:in über eine Leistung abrechnet. Im Umsatzsteuerrecht ist die Rechnung für den Vorsteuerabzug bedeutsam. Dafür muss sie im Wesentlichen die Informationen über die Namen (und Anschriften) der Erbringer:in und der Empfänger:in der Leistung, die Art und den Umfang sowie den Tag oder den Zeitraum der Leistung, das Entgelt dafür, den darauf entfallenden Steuerbetrag, den anzuwendenden Steuersatz sowie das Ausstellungsdatum der Rechnung enthalten. 

Bei einer Scheinrechnung ist zumindest eine dieser Informationen und damit auch die Dokumentation falsch. In den praktisch meisten Fällen betrifft dies die Art und den Umfang der Leistung oder das Entgelt für diese. Der Begriff der Scheinrechnung ist also eine Sammelbezeichnung für Arten von Rechnungen, die einen Geschäftsfall vortäuschen oder verschleiern sollen.

„Eine Scheinrechnung zu erstellen oder zu verwenden, ist rechtswidrig und schon an sich strafbar.“

GÜNTHER REBISANT, REBISANT RECHTSANWALT GMBH

2. Den Schein bewahren

2.1 Urkundenfälschung

Jedes schriftliche Dokument, das errichtet wurde, um ein Recht oder ein Rechtsverhältnis zu begründen, abzuändern oder aufzuheben, oder auch nur, um eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen, ist im strafrechtlichen Sinn eine Urkunde (§ 74 Abs 1 Z 7 StGB). Eine Urkundenfälschung begeht, wer vorsätzlich eine Urkunde herstellt oder eine echte Urkunde verfälscht und mit dem Vorsatz handelt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, bzw. wer eine solche falsche oder verfälschte Urkunde im Rechtsverkehr gebraucht (§ 223 Abs 1 und 2 StGB). In der heutigen digitalen Geschäftswelt gilt das auch bei der Datenfälschung für falsche oder verfälschte Daten (§ 225a StGB).

Die strafbare Handlung der Urkundenfälschung schützt allerdings nur die Zuverlässigkeit von Urkunden. Geschützt ist somit die Identität der Aussteller:in, also die Urkundenechtheit, nicht die Urkundenwahrheit. Wer also eine rechtserhebliche Erklärung niederschreibt, die mit der Wahrheit nicht übereinstimmt und mit einem ihm zustehenden Namen unterfertigt, begeht keine Urkundenfälschung.

„Die Rechnung ist ein Beweismittel.“

GÜNTHER REBISANT, REBISANT RECHTSANWALT GMBH

2.2 Fälschung eines Beweismittels

Betrifft die Unrichtigkeit der Rechnung nicht die Identität der Aussteller:in, sondern allein die inhaltliche Richtigkeit, kann Strafbarkeit wegen der Fälschung eines Beweismittels bestehen. Und zwar dann, wenn die Rechnung für die allfällige Verwendung in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgesehen ist oder in einem solchen Verfahren verwendet wird.

Die Rechnung ist ein Beweismittel. Ob ein solches Beweismittel falsch ist, ist jedoch keineswegs nach den strengeren Voraussetzungen der Urkundenfälschung zu beurteilen. Maßgebend ist vielmehr, ob das Beweismittel einen unrichtigen Inhalt hat und damit bei seinem Gebrauch geeignet ist, die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zu beeinflussen.

3. Mehr Schein als Sein

3.1. Betrug (§ 146 StGB)

Wenn die inhaltlich falsche Rechnung dazu benützt wird, jemanden vorsätzlich über eine von der inhaltlichen Unrichtigkeit erfassten Tatsache zu täuschen, um diesen zu einer schädigenden Vermögensverfügung zu verleiten (etwa die tatsächlich rechtsgrundlose Zahlung eines Geldbetrags), dann kann Strafbarkeit wegen schweren Betrugs gegeben sein. Eine echte, bloß inhaltlich falsche Rechnung ist nur dann als falsches Beweismittel zu beurteilen, wenn ihr ein über das zur Täuschung verwendete mündliche oder schriftliche Sachverhaltsvorbringen hinausgehender, eigenständiger Beweiswert zukommt.


3.2. Untreue (§ 153 StGB)

Eine Untreue begeht, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt. Die Scheinrechnung dient in diesem Fall der Deckung oder Verschleierung einer Vermögensverringerung ohne entsprechende Gegenleistung. Auch wissentliche Zahlung einer Nichtschuld ist daher Untreue.

3.3. Betrügerische Krida (§ 156 StGB) und Vollstreckungsvereitelung (§ 162 StGB)

Eine betrügerische Krida begeht, wer vorsätzlich einen Bestandteil seines Vermögens oder des Vermögens einer von ihm vertretenen Gesellschaft (§ 161 Abs 1 StGB) beiseite schafft, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung von Gläubiger:innen vereitelt oder schmälert (§ 156 Abs 1 StGB). Wer solche Handlungen vorsätzlich hinsichtlich der Befriedigung einer Gläubiger:in durch Zwangsvollstreckung setzt, begeht eine Vollstreckungsvereitelung.

Eine Scheinrechnung, der tatsächlich keine entsprechende Leistung zugrunde liegt, kann in dem Zusammenhang auf zwei Arten zur Deckung oder Verschleierung einer Gläubigerbeeinträchtigung beitragen:

- einerseits, um eine Zahlung des Unternehmens ohne entsprechende Gegenleistung zu verdecken oder zu verschleiern, indem durch Zahlung der Scheinrechnung eine Forderung beglichen wird, die tatsächlich gar nicht besteht;

- andererseits, indem man die Scheinrechnung zwar nicht zahlt, aber eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt und somit das Vermögen zum Schein verringert.


4. Abgabenhinterziehung (§ 33 FinStrG) und Abgabenbetrug (§ 39 FinStrG)

Wird mittels einer Scheinrechnung, der tatsächlich keine entsprechende Leistung zugrunde liegt, vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) die jeweilige Abgabe verkürzt (Vorsteuerabzug, Ertragssteuer), begründet dies eine Abgabenhinterziehung. Ein Abgabenbetrug kann begründet sein, wenn dazu auch falsche oder verfälschte Beweismittel zum Einsatz kommen. Das bloße Bereithalten einer Scheinrechnung bei einer Abgabenerklärung kann schon Abgabenbetrug sein.

Stark gekürzte und bearbeitete Version des Fachartikels „Der Schein (be)trügt. Die Scheinrechnung im Strafrecht“. Den vollständigen Beitrag inklusive ausführlicher Erläuterungen und Beispiele zu den geschilderten Tatbeständen finden Sie in Ausgabe 1/2023 der MANZ-Zeitschrift „Grauzonen“.

Querverweise in die RDB wurden automatisch mit dem MANZ Linkbutler des MANZ Genjus Word Add-In erstellt.