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ÖNORM B 2110: Ein Standardwerk in 4. Auflage

Praktisch kein wichtiger Bauvertrag kommt ohne die ÖNORM B 2110 aus. Der maßgebliche Kommentar zu den Vertragsbestimmungen für Bauleistungen stammt seit 20 Jahren aus der Feder des Wiener Rechtsanwalts Georg Karasek.
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Redaktion
Reinhard Ebner
Datum
27. November 2023

Beruflich gilt Georg Karasek seit vielen Jahren als Experte für Baurecht. Hier führte der Zufall Regie: „Ich absolvierte gerade meine Anwaltsausbildung bei Alfred Strommer, als ich auf der Gasse einen ehemaligen Studienkollegen traf, der ein Seminar zum Baurecht organisieren sollte.“ Karasek sagte spontan zu, der Vortrag war gut besucht und wurde in der Folge mehrfach wiederholt.


Publikationen im Baurecht

Die Publikationstätigkeit begann mit einem Beitrag in der Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ecolex über den „Pauschalpreisvertrag“. Sein damaliger Mentor war Heinz Krejci, Vorstand des Instituts für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht der Universität Wien. Dessen Ratschlag beherzigt Karasek bis heute: „Man soll sich ruhig trauen, gegen die herrschende Meinung anzuschreiben. Man muss dabei aber ganz besonders sorgfältig argumentieren.“

Die ÖNORM B 2110 ist die Schablone für viele Bauverträge, in der Rechte und Pflichten von Auftraggeber:innen und Auftragnehmer:innen geregelt sind. Sie ist auf die bauwirtschaftliche Praxis ausgerichtet und enthält daher rechtliche und technische Bestimmungen, die zum Teil deutlich von denen des ABGB abweichen.


Die Anfänge

Die Idee, einen Kommentar dazu zu verfassen, entstand früh. Mitte der 1990er-Jahre wurde Karasek beim damaligen MANZ-Verlagsleiter Wolfgang Pichler vorstellig. „Der war sofort begeistert. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch kaum Literatur zum Baurecht.“

Bis zum Erscheinen der ersten Auflage des ÖNORM-Kommentars sollte es fast ein Jahrzehnt dauern. „Wolfgang Pichler bewies in dieser Phase bewundernswerten Langmut“, erinnert sich Karasek. „Er hat mich jedes halbe Jahr angerufen, um zu fragen, wie es vorangeht, ansonsten aber in Ruhe werken lassen.“

„Der ÖNORM-Kommentar ist ein Mammutwerk von immenser Bedeutung, hinter dem ein einzelner Autor steht.“
KATHARINA WEISS, MANZ

Kommentar ÖNORM B 2110 in 4. Auflage


Die im Mai 2023 erschienene aktualisierte Fassung der ÖNORM B 2110 wurde nun zum Anlass genommen, um eine vierte Auflage des Kommentars herauszubringen, die noch im Dezember 2023 erscheinen wird. Mit dabei von Verlagsseite ist Katharina Weiß, die seit 2020 das Lektorat im Bereich Bauen, Mieten und Wohnen betreut. „Der ÖNORM-Kommentar ist für mich eine Herzensangelegenheit. Das Werk wird oft zitiert und ist von immenser Bedeutung im Baurecht.“

In Summe waren 1.400 Seiten zu aktualisieren und neu zu gestalten. Weiß: „Eine gewaltige Leistung, wenn man bedenkt, dass dahinter ein einzelner Autor steht.“ Dieser Autor wendete während der letzten beiden Jahre einen guten Teil seiner Freizeit und den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit für die Neufassung auf.


Neue Inhalte, neue Struktur

Nicht nur inhaltlich ergaben sich Neuerungen. Auch die Struktur wurde angepasst, um das Werk, das nun voll verlinkt ist, für die Online-Aufbereitung zu optimieren. Der ÖNORM-Kommentar ist damit künftig noch übersichtlicher und lesefreundlicher.

Eine Tendenz, die sich von Auflage zu Auflage zeigt, ist die zunehmende Fokussierung auf eine juristisch gebildete Leserschaft. „Die 1. Auflage richtete sich noch gleichermaßen an Juristinnen und Juristen sowie an Technikerinnen und Techniker. Mittlerweile gibt es eigene Publikationen für Technikerinnen und Techniker, der ÖNORM-Kommentar hat dafür an juristischer Tiefe gewonnen.“

Eine besondere Herausforderung war es, die seit der aus 2016 stammenden dritten Auflage neu entstandene Literatur einzuarbeiten. „Das Schrifttum zum Bauvertragsrecht ist in dieser Zeit regelrecht explodiert.“

„Die Bereiche der Dokumentation und der Mehrkostenforderungen bei Behinderungen durch den Auftraggeberinnen und Auftraggeber sind offene Baustellen der ÖNORM.“
GEORG KARASEK, KARASEK WIETRZYK RECHTSANWÄLTE

Mehrkostenforderungen am Bau

Aktualisiert wurde die ÖNORM zuletzt unter anderem in den Abschnitten „Gewährleistung“, „Informationsrechte der Vertragspartner“ und „Streitigkeiten“ sowie bei den Regelungen zum Waagriss als Nebenleistung. Karasek zeigt sich von diesem „Minimalkompromiss“ wenig überzeugt.

Eine Baustelle im doppelten Wortsinn seien die Bereiche der Dokumentation und der Mehrkostenforderungen bei Behinderungen durch Auftraggeber:innen. „In der jüngeren Vergangenheit wurden diese Mehrkosten immer häufiger pauschal berechnet, wodurch man sich aus meiner Sicht vom Recht entfernt hat. Das haben die Gutachterinnen und Gutachter unter sich ausgemacht.“


Dokumentation am Bau

Einige OGH-Entscheidungen stellen dieses System nun in Frage. Auch Karasek sieht die Notwendigkeit, etwaige Mehrkosten im Sinne der Rechtssicherheit zu belegen. Dafür wiederum braucht es eine nachvollziehbare Dokumentation der erbrachten Leistungen.

„Dass das nicht endlich auch in der ÖNORM festgeschrieben wird, ist mir rätselhaft“, so der Baurechtsexperte. „Letztlich läge dies im Interesse beider Parteien, Auftraggeberinnen und Auftraggeber wie Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer. Mein längster diesbezüglicher Bauprozess hat sich über zwölf Jahre hingezogen.“ Im Zuge künftiger Online-Updates zum ÖNORM-Kommentar wird Karasek die Entwicklungen im Auge behalten.

Stark gekürzte Version der Coverstory aus der Zeitschrift RECHTaktuell. Warum die 1970er-Jahre in Wahrheit die „österreichischen 60er“ waren und wie Karasek im Rechtsanwaltsberuf von seiner einstigen Tätigkeit als ÖH-Vorsitzender profitierte, lesen Sie im vollständigen Artikel der Printausgabe sowie hier im ePaper. Die vierte Auflage des Kommentars zur ÖNORM B 2110 können Sie im MANZ-Webshop bestellen.

RECHTaktuell 06/2023